Das ungarische Wien

Wien, 6.-8. Juni 2016

 

Das heutige Österreich und Ungarn bildeten über Jahrhunderte hinweg politische Einheiten verschiedenster Provenienz. 881 tauchten die Ungarn erstmals vor Wien auf, verloren 955 auf dem Lechfeld einstmals eroberte Gebiete des späteren Ostösterreich, nahmen schließlich das Christentum an und gründeten unter König Stephan (998-1038) einen Staat im sogenannten Karpatenbecken. 1437 wurde erstmals ein Habsburger, Albrecht, König von Ungarn und unter König Matthias Corvin wurde sogar die habsburgische Erbfolge in Ungarn vertraglich geregelt. Von 1527 bis 1918 saß so gut wie kontinuierlich ein Habsburger auf ungarischen Thron und bildete Wien dementsprechend sowohl politisch als auch kulturell einen der wichtigsten Bezugspunkte für Ungarn. In den ersten Jahren und Jahrzehnten nach dem Ersten Weltkrieg war Wien immer noch ein wichtiges Ziel von Migration, ein Prozeß, der mit dem sogenannten Anschluss 1938 endete.

Der Beobachtungszeitraum, den sich die geplante Tagung widmet, beginnt im Spätmittelalter und endet nach dem 1. Weltkrieg, also mit dem Zusammenbruch der Doppelmonarchie und den politischen und geopolitischen Konsequenzen, die die Friedensschlüsse von Saint-Germain-en-Laye 1919 und von Trianon 1920 für beide Länder brachten. Das politische und auch kulturelle Zusammenwirken beider Länder, das sich in durchaus unterschiedlicher Intensität und mehr oder weniger friedvoll vollzog, führte im Laufe der Jahrhunderte zu einem symbiotischen Nebeneinander. Die Ungarn gebrauchen heute noch den Begriff der „verschwägerten Völker“, wenn sie über Österreich und Ungarn sprechen und der Witz vom Fußballspiel „Österreich-Ungarn“ mit der Pointe: ja, aber gegen wen? wird ebenfalls gerne bemüht, wenn es darum geht, das Nahverhältnis beider Staaten zu charakterisieren.

1918 kam es zu eigenen Staatengründungen unter geographisch extrem reduzierten Grenzverläufen und Ungarn musste schließlich 1920 auch das Burgenland an Österreich abtreten. Die Grenzziehung hatte zur Folge, dass sich ca. 14.000 Personen, die im Burgenland lebten, zur ungarischen Minderheit bekannten, eine Zahl, die allerdings im Laufe der Jahrzehnte aus verschiedenen Gründen beträchtlich schrumpfte (1951 waren es 5.251 Personen, 1991 6.772, seit 1979 sind sie durch einen Volksgruppenbeirat vertreten und seit 1992 sind auch die Wiener Ungarn als Volksgruppe anerkannt).

Fragestellungen:


Wie oben ersichtlich, spannt sich der historische Bogen der Tagung über einen Zeitraum von mehr als 500 Jahren. In diesem halben Jahrtausend kam es zu kulturellen Begegnungen der beiden Staaten, die auf vielen Gebieten sowohl sprachliche als auch territoriale und ethnische Grenzen verschwimmen, ja auch verschwinden ließen. Anil Bhatti spricht in diesem Zusammenhang von einer Art „Palimpsest“. Er verwendet den Ausdruck für immer neu entstehende kulturelle Konglomerate, die sich bilden und bald wieder überschrieben werden durch neue Formen des Zusammenlebens und des gegenseitigen Wirkens aufeinander. Diese kulturelle Nähe entwickelte sich zwischen Österreich und Ungarn in sprachlicher Hinsicht aber auch in literarischer, sie wurde im Theaterleben sichtbar, in den angewandten und bildenden Künsten, ja auch in den Medien allgemein. Die Formen des Transfers sowie die Grenzen, im Rahmes derer er sich vollzog, waren dabei durchaus unterschiedlich.

Die Tagung soll sich mit diesem gegenseitigen kulturellen Austausch beschäftigen und die auch heute noch anhaltende „Nähe“ zwischen den beiden Staaten dokumentieren.

Andrássy - Villa

Nákó - Palota

Trautson - Palota

Ápponyi - Palota